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Lüer, Dr. Rolf

"Den feigen Mann muss man bedauern,
der nur das eigne Leben schätzt
und nicht sein Herz mit Wonneschauern
an eine große Sache setzt."

 

Dieses Wort stellte Heidepastor Wilhelm Bode seinem Rückblick auf die ersten zwei Jahrzehnte der von ihm gegründeten Egestorfer Spar- und Darlehnskasse voran. Die ‚große Sache‘ Dr. Rolf Lüers war die Volksbank, die aus dieser kleinen Dorfkasse hervorgegangen war; zugleich die Geschichte dieser und weiterer Genossenschaften, eng verknüpft mit der Geschichte seiner Heimat, an der er mit ganzem Herzen hing.

Rolf Lüer wurde am 18. Mai 1929 in Salzhausen als Sohn des Bankleiters Rudolf Lüer und seiner Ehefrau Elisabeth geboren. Er wuchs in Egestorf auf und besuchte ab 1940 das Johanneum in Lüneburg. Nach dem Abitur 1949 studierte er Anglistik und Germanistik an der Universität Göttingen, gab das Studium jedoch 1951 auf und erlernte den väterlichen Beruf bei der Spar- und Darlehnskasse Hoopte. Nach seinem Lehrabschluss - Prädikat: sehr gut mit Auszeichnung – wurde er Rendant der Spar- und Darlehnskasse Drage und war mit 24 Jahren bereits jüngster Geschäftsführer einer Genossenschaftsbank im Landkreis. Hinzu kam die Leitung der Obstlagerhaus-Genossenschaft Winsener Elbmarsch und der Fischerei-genossenschaft für den Kreis Winsen in Drage.

1960 folgte er seinem Vater als Geschäftsführer, später als Vorstand der Spar- und Darlehnskasse Egestorf. Aus dem Zusammenschluss mit der Spar- und Darlehnskasse Hanstedt entstand 1969 die Volksbank Nordheide, die er als Vorstandsmitglied, ab 1980 als Vorstandsvorsitzender leitete. Nach weiteren Fusionen verlegte die Bank ihren Sitz 1987 nach Winsen. Zwei Jahre darauf schied Rolf Lüer aus der Volksbank aus, engagierte sich jedoch weiter im Finanzbereich als Vorstand, Aufsichtsrat und Berater.

Mit 60 Jahren begann er 1989 als Wissenschaftler und Forscher seine zweite Karriere. Für die Volksbank Nordheide baute er in Egestorf ein Unternehmensarchiv auf, dem sich bald weitere Volksbanken aus den Landkreisen Harburg, Lüneburg und Soltau-Fallingbostel anschlossen. Parallel studierte er an der Universität Hamburg Geschichte und Politik und absolvierte mit seiner Arbeit zur Geschichte des Naturschutzes in der Lüneburger Heide das Magisterexamen (Prädikat: sehr gut). Mit seiner Dissertation „Sozialer Anspruch und ökonomische Rationalität. Zur Geschichte der Volksbanken im ehemaligen Kreis Winsen“, wieder mit Auszeichnung, legte er den Grundstein für die genossenschaftshistorische Forschung in unserer Region. 1998 erschien das Werk, ausgestattet mit zahlreichen historischen Fotos, in Buchform. Zugleich wurde das Genossenschaftliche Archiv erstmals unter diesem Namen der Öffentlichkeit vorgestellt.

Der Ausbau und die Sicherung der Sammlung war ihm eine Herzenssache. Auf seine Initiative hin gründeten die beteiligten Volksbanken 2001 die Stiftung Genossenschaftliches Archiv, die er von 2002 bis 2003 als Vorstandsvorsitzender leitete. Außerdem veröffentlichte er zahlreiche Bücher und Aufsätze zur Geschichte seiner Heimat und zum Genossenschaftswesen. Im Kreiskalender erschienen folgende Abhandlungen

1999: Bank und Warenlager unter einem Dach. Die Verbindung von Geld- und Warengeschäft bei den Spar- und Darlehnskassen des ehemaligen Kreises Winsen

2001: Das Genossenschaftliche Archiv

2002: Das Doktorhaus in Egestorf. Ein Versuch sozialen Handelns mit den Mitteln einer Spar- und Darlehnskasse

2004: Genossenschaften als Wegbereiter der zentralen Wasserversorgung im ehemaligen Kreise Winsen.

Zuletzt vollendete er die dritte Auflage der Schriften Pastor Wilhelm Bodes zum Genossenschaftswesen, die er nach langer Suche in verschiedenen Archiven ausfindig gemacht hatte. Seine 39-seitige Einleitung, Fußnoten und Worterklärungen helfen zum Verständnis und zur historischen Einordnung der Texte.

Dr. Rolf Lüer beeindruckte durch seine Führungsstärke, seine Weitsicht und sein persönliches Wesen und war bei den Stifterbanken und den Kuratoriumsmitgliedern der Stiftung Genossenschaftliches Archiv hoch geschätzt. Durch sein Engagement für die Genossenschaftsgeschichte und für das Genossenschaftliche Archiv hat er sich weit über die Region hinaus einen Namen gemacht. 2003 wurde ihm für sein Lebenswerk das Verdienstkreuz am Bande des Niedersächsischen Verdienstordens verliehen. 

Am Montag, 4. März 2013, ist er im Alter von 83 Jahren verstorben.

Joachim Matz